IHK meldet neue Wirtschaftsdaten - Grafik: HanauOnline -
Hanau. Keine spektakulären Höhenflüge, keine dramatischen Abstürze und keine großen Veränderungen am Horizont. Seit gut zwei Jahren plätschert die Konjunkturentwicklung erfreulich stabil vor sich hin – begleitet von einem nicht spektakulären, aber hilfreichen Wirtschaftswachstum von einem bis eineinhalb Prozent. Die gute Nachricht: Die ungewöhnlich stabile Lage dürfte anhalten. Darauf deuten die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern hin.
„Auf den ersten Blick scheint alles in bester Butter. Die Industrie-Ergebnisse lassen sogar auf eine weitere, leichte Konjunkturbelebung im Herbst hoffen“, freut sich Dr. Gunther Quidde, Hauptgeschäftsführer der IHK. Gleichzeitig sieht Quidde die heimische Wirtschaft im Umbruch: „In China und Ostasien läuft es nicht mehr so rund, die Krisen in Russland und in Lateinamerika bleiben virulent. Hilfreich ist, dass die USA nach wie vor recht solide aufgestellt sind. Auch die leichte wirtschaftliche Erholung in Südeuropa weckt Hoffnungen. Doch vorerst hängt unsere Konjunktur stark von der Binnennachfrage ab. Die ist erfreulich solide. Der niedrige Ölpreis erleichtert den Import, der schwache Euro den Export. Das lässt darauf hoffen, dass die Konjunktur auch in den nächsten Monaten stetig und moderat weiter läuft.“
Gute Lage , durchwachsene Aussichten
Zum Zeitpunkt der Umfrage, Ende April und Anfang Mai 2016, bewerteten 37,5 Prozent der insgesamt antwortenden 160 Unternehmen ihre aktuelle Lage als „gut“ und nur 7,5 Prozent als schlecht. Verglichen mit den Umfrageergebnissen vor einem Jahr ergibt sich eine leichte Verschlechterung von etwa zwei Prozentpunkten. Gegenüber der Umfrage vor vier Monaten sorgen vor allem die um sechs Prozentpunkte geringer ausgefallenden „gut“-Bewertungen für leichtes Stirnrunzeln. Es läuft offensichtlich nicht mehr in allen Unternehmen so herausragend gut wie zum Jahreswechsel. „Aber wenn 92,5 Prozent der Unternehmen ihre derzeitige Situation mit ‚gut‘ oder ‚befriedigend‘ einstufen, ist dieser Rückgang noch kein Alarmzeichen“, wertet Quidde.
Bezüglich der geschäftlichen Erwartungen ergibt sich ein uneinheitliches Bild: 15,6 Prozent der Unternehmen hoffen auf Besserung, 18,8 Prozent befürchten das Gegenteil. Der Saldo liegt bei -3,2 Punkten. Das ist ein wenig erfreulicher Wert, der sogar 7,7 Punkte unterhalb des ohnehin schon mageren Umfrageergebnisses aus dem letzten Winter liegt. „Es ist unzulässig, aus diesem Rückgang unmittelbar auf einen Rückgang der Konjunktur schließen zu wollen“, merkt Quidde an. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die wichtige Industriesparte deutlich zuversichtlicher als im Januar nach vorne blickt. Der Rückgang ist in erster Linie in Sondereffekten beim im Main-Kinzig-Kreis starken Großhandel zu suchen – der nachlassende wirtschaftliche Schwung in China & Co. lässt grüßen. Auch die Kreditinstitute sind deutlich pessimistischer als zuletzt. Die Banken und Sparkassen befürchten mit Recht negative Folgen der Null- und Negativzinsen auf ihr Geschäft. Mitverursacher der ungünstigeren Erwartungen sind ferner diejenigen Einzelhändler, Dienstleister und Bauunternehmer, die eine schwächere Binnennachfrage befürchten – ob zu Recht oder nicht.
Werden die Angaben zur gegenwärtigen und zukünftigen Lage gewichtet, ergibt sich der IHK-Konjunkturklimaindikator. Die zentrale Kennzahl erreicht dieses Mal einen Wert von 112,2, das sind 6,6 Punkte weniger als im Januar und 8,6 Punkte weniger als im Mai 2015. Es gibt keine starken Wachstumsimpulse durch neue, zusätzliche Investitionen. Und wenn das Frühjahr keine grundlegende Belebung mit sich bringt, liegt das auch daran, dass die Bauwirtschaft dieses Mal keine Winterpause einlegen musste. Da ist kein Rückstand einzuholen. „Die Stimmung der Unternehmen lässt sich als vorsichtig optimistisch beschreiben. Der Indikatorwert ist deswegen so in Ordnung“, beruhigt Quidde. Die IHK geht weiterhin von einem Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,5 Prozent in diesem Jahr aus. Quiddes Fazit: „Keine Gefahr am Horizont, sofern auf der europäischen Ebene, Stichworte Brexit, Grexit und Flüchtlingskrise, nichts völlig aus dem Ruder läuft.“
Industrie bleibt vorsichtig
Die Industrie-Unternehmen stellen sich der veränderten Marktlage: Nicht zuletzt deswegen sind die Auftragseingänge aus dem Inland wieder gestiegen. Die Branche fährt dennoch sicherheitshalber weiter mit angezogener Handbremse. Weiterhin rückläufig sind die ausländischen Orders, und auch die Exportzahlen schrumpfen leicht. Letzteres könnte auch daran liegen, dass die Branche wieder verstärkt im Ausland investiert. Drei Gründe sprechen für ein stärkeres Engagement jenseits der deutschen Grenzen: Deutschland verliert auf Grund der hohen Energie- und gestiegenen Personalkosten langsam, aber sicher an Wettbewerbsfähigkeit. Ferner veranlasst der beginnende Fachkräftemangel Unternehmen dazu, neue Wege zu beschreiten. „Globalisierung“ verlangt eben auch, nahe beim Kunden zu sein.
„Weiter so!“ im Handel?
Die Betriebe des Einzelhandels hängen stark von der Entwicklung der Binnennachfrage ab. Gleiches gilt für die Gastronomen, Teile der Verkehrswirtschaft und für viele andere Dienstleistungsbetriebe, aber auch für die meisten Unternehmen in der Bauwirtschaft. Alle diese Unternehmen stufen ihre derzeitige Lage als gut oder ziemlich gut ein. Im Handel teilen diese Bewertung immerhin 93,7 Prozent der Unternehmen, die zugleich deutlich skeptischer als zuletzt bezüglich ihrer Erwartungen sind. Eine noch günstigere Lage erhoffen nur noch 17,8 Prozent der Unternehmen. Ihnen stehen 20 Prozent Pessimisten gegenüber. Diese befürchten, dass das deutsche Konsummärchen irgendwann endet – auch, wenn die Fakten derzeit nicht für ein solches Szenario sprechen.
Das zeigt, dass die Stimmung in der Wirtschaft und die psychologische Lage der Wirtschaft nicht ganz parallel verlaufen. Seit 2010 fragt die IHK regelmäßig die Risikoeinschätzungen der Unternehmen ab. Aktuell werden die beiden eng miteinander verflochtenen Punkte Inlandsnachfrage und wirtschaftliche Rahmenbedingungen als besonders kritisch wahrgenommen. Dicht auf folgen die ebenfalls eng miteinander verwobenen Themen Fachkräftemangel und Arbeitskosten. Zunehmend mehr Firmen sind ob der geringen Auslandsnachfrage besorgt. Keine nennenswerten Gefahren für die Binnenkonjunktur gehen hingegen vom Wechselkurs des Euro und von den Finanzierungsbedingungen für gewerbliche Kredite aus.
Arbeitsmarkt bleibt solide
Noch stehen nur wenige zu uns geflohene Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Die Aufnahmeverfahren dauern gemeinhin noch an. Das wird sich im Jahresverlauf langsam ändern. Bis dahin bleibt der Arbeitsmarkt ungewöhnlich leergefegt. Ende April erfasste die Hanauer Agentur für Arbeit 10.567 Arbeitslose; nicht ganz ein Drittel dieser Menschen waren über 50 Jahre alt, ein weiteres Drittel waren Ausländer, ein weiteres Drittel waren Langzeitarbeitslose – drei Gruppen also, mit deren Neueinstellung sich noch immer viele Unternehmen schwer tun. Auch wenn es Überschneidungen zwischen diesen Gruppen gibt und sie nicht das ganze Bild bestimmen: Nur sehr wenige Jüngere und beruflich Qualifizierte müssen derzeit länger nach einem neuen Job suchen.
Von der Grundsicherung, häufig als Hartz IV bezeichnet, lebten im Main-Kinzig-Kreis Ende April 7.016 Menschen – bei über 170.000 Erwerbstätigen im Landkreis. „Auch wenn am Arbeitsmarkt alles in Ordnung zu sein scheint: Das sind fast so viele Menschen, wie Großkrotzenburg oder Hasselroth an Einwohner zählen. Da sollte man als Unternehmer prüfen, ob Bewerber aus dieser Gruppe eine Chance auf einen Arbeitsplatz verdienen!“, bittet Quidde. (IHK)