Die Projektbeteiligten vor dem gebäude im Lamboy - Foto: Baugesellschaft Hanau -
Baugesellschaft Hanau beteiligt sich am Pilotprojekt „Akutambulantes Behandlungswohnen“
Hanau. Ein über die Stadtgrenzen hinaus einzigartiges Projekt ist dieser Tage in Hanau an den Start gegangen. Das Pilotprojekt, das in Kooperation von Baugesellschaft Hanau mit der psychiatrischen Klinik Hanau sowie dem Main-Kinzig-Kreis durch Einbindung des Kommunalen Centers für Arbeit realisiert wurde, will Patientinnen und Patienten nach ihrer Entlassung aus der stationären Behandlung in der psychiatrischen Klinik Hanau behutsam wieder in den Alltag eingliedern. Profitieren können davon bis zu acht Frauen und Männer, die in eigens dafür eingerichtete Wohnungen der Baugesellschaft einziehen können.
Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Hanau erprobt seit mehreren Jahren neue psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsformen. In diesem Zusammenhang konnte das Klinikum im Herbst 2013 auch ein Modellprojekt auf den Weg bringen, das unter dem Titel „Hanauer Modell“ bundesweite Beachtung findet.
Zentrales Ziel des Modellvorhabens ist eine flexible Anpassung der Klinik an den individuellen Bedarf von Patienten, die eine stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung benötigen. Dabei ist es möglich, den stationären Aufenthalt im Krankenhaus auf die unbedingt erforderliche Zeit zu begrenzen. Die weitere Behandlung erfolgt dann als ambulante Akutbehandlung mit täglichen Kontakten in der Klinik oder im Einzelfall auch aufsuchend im häuslichen Lebensumfeld des Patienten. Die Behandlungsintensität entspricht dabei einer stationären Behandlung ohne Bett auf Station, sondern mit Übernachtung in der eigenen Wohnung. Diese Behandlungsform fördert die Autonomie des Patienten unter Einbeziehung seines sozialen Umfeldes.
Für einen Teil schwer kranker Menschen ist der Schritt in diese Behandlungsform nicht möglich, da durch die Erkrankung zum einen die eigene Wohnung verloren ging, zum anderen die Kompetenzen zur eigenständigen Führung eines Haushalts zunächst wieder eingeübt werden müssen. Aufgrund der bestehenden Wohnungsnot ist es zudem gerade für Menschen mit einer psychischen Erkrankung besonders schwierig, eine neue Wohnung anzumieten.
Aus diesem Grund hat der Gemeindepsychiatrische Verbund des Main-Kinzig-Kreises einen Runden Tisch Wohnungsnot psychisch kranker Menschen ins Leben gerufen. Als erstes Ergebnis dieser Arbeitsgruppe wurde die Versorgungsform eines Behandlungswohnens im Hanauer Modell entwickelt. Hierbei werden insbesondere die Aspekte einer freiwilligen und autonomen Behandlung im eigenen Wohnungsraum weitergeführt.
Als Wohnraum werden vier Zwei-Zimmer-Wohnungen eines Reihenhauses der Baugesellschaft Hanau zur Verfügung gestellt. Mieter der Wohnungen ist das Klinikum Hanau. Die Finanzierung von Miete und Einrichtung erfolgt durch das Kommunale Center für Arbeit. Die Erprobung dieser Versorgungsform ist auf zunächst drei Jahre angelegt.
Der angemietete Wohnraum wird Patienten, die über keine Wohnung verfügen, während ihrer ambulanten Akutbehandlung durch die Klinik zur Nutzung überlassen. Eine Nutzung der Wohnung ohne Behandlung ist nicht möglich. Darüber hinaus verpflichten sich die Patienten im Behandlungswohnen zur Umsetzung eines individuellen Trainingsplans zum selbständigen Wohnen. Behandlungswohnen bedeutet assistiertes nachbarschaftliches Wohnen im Wohnverbund, eingebunden in die Behandlungsstrukturen der ambulanten Akutbehandlung.
Therapeutische Wirkfaktoren im Behandlungswohnen sind unter anderem die Teilhabe am Alltag und Förderung der Kompetenzen in der Führung einer eigenen Wohnung, aber auch die Möglichkeit, individuelle Herausforderungen des Alltags unmittelbar in die Behandlung integrieren und, bei Bedarf mit Hilfen, bewältigen zu können. Darüber hinaus ermöglicht diese Wohnform den Austausch mit Menschen in ähnlicher Lebenssituation, um sich gegenseitig unterstützen zu können (Selbsthilfe) sowie in sicheren und verlässlichen Strukturen Wege zurück in die Gesellschaft zu finden.
Ermöglicht werden diese Entwicklungsschritte durch die individuelle wöchentliche Hilfeplanung der Behandlungsteams der Klinik. Gleichzeitig werden frühzeitig alle verfügbaren Unterstützungsangebote weiterer Leistungserbringer außerhalb der Klinik mit eingebunden. Dies entspricht dem Netzwerkgedanken des Modellprojektes zur Überleitung des Patienten in eine autonome Lebensführung, bei der professionelle Unterstützung verfügbar, aber auf das individuell erforderliche Maß begrenzt ist. In diesem Sinne wird der Patient im Behandlungswohnen der Klinik bei erfolgreichem Training auch frühzeitig dabei unterstützt, zeitnah eine eigene Wohnung anmieten zu können.
Die ersten Erfahrungen nach Einführung des Behandlungswohnens sind überaus positiv. Viele Patienten finden sich in dieser assistierten, besonderen Wohnform besser zurecht, als anfänglich erwartet. Es zeigt sich eine unerwartet gute Entwicklung hin zu Alltagsbewältigung, wachsender Selbständigkeit und einem Wiedererlernen von sozialen Fähigkeiten in einer Gemeinschaft. Für einen anderen Teil der Patienten wird im Behandlungswohnen die Erfahrung erlebbar, welche Grenzen die Krankheit aktuell setzt und welche weitergehenden Hilfen deshalb erforderlich sind.
Jens Gottwald, Geschäftsführer der Baugesellschaft Hanau, findet für das Projekt nur lobende Worte: „Es entspricht dem Selbstverständnis der Baugesellschaft Hanau, solche Projekte zu begleiten und zu unterstützen.“ Das Wohnungswirtschaftsunternehmen zeige an vielen Stellen soziales Verantwortungsbewusstsein für die Stadtgesellschaft, deshalb sei es gar keine Frage gewesen, dass die Baugesellschaft auch an dieser Stelle das überaus wichtige Vorhaben unterstütze. Dabei sei Zusammenarbeit mit Klaus Pichl vom KCA und Priv.Doz. Dr. Thomas Schillen vom Klinikum stets unkompliziert und zielführend gewesen. „Ich bin davon überzeugt, dass wir hier gemeinsam etwas richtig Gutes geschaffen haben.“
Hanaus Sozialdezernent Axel Weiss-Thiel bewertet das Konzept und die Zusammenarbeit ebenfalls durchweg positiv. „In der Gesamtbetrachtung lässt sich festhalten, dass mit dem Behandlungswohnen der Klinik ein sehr besonderes therapeutisches Angebot geschaffen werden konnte, das vielen Menschen mit psychischen Erkrankungen den Schritt in eine selbstbestimmte, eigenständige Lebensführung erleichtern kann.“ (Bauhu)